Kristin Heiß - DIE LINKE - Listenkandidatin

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt? Ich wurde in Eberswalde in Brandenburg geboren und bin als Kind mit meinen Eltern Ende der 80er Jahre nach Wolmirstedt gezogen. Momentan lebe ich mit meiner Familie in Magdeburg. Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück? Ich habe von 2003 bis 2009 Politikwissenschaften und Soziologie in Magdeburg studiert. Nahtlos nach dem Studium konnte ich bei der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft als Organisationssekretärin anfangen. Bei der Gewerkschaft war ich im Bereich Jugendhilfe/Sozialhilfe tätig. Ich arbeitete viel mit Erzieherinnen und Erziehern und Sozialpädagogen zusammen und durfte auch in den Tarifbereich reinschnuppern. Im Jahr 2010 wählten mich meine Kolleginnen und Kollegen zur Betriebsrätin. Nach der Geburt meines Sohnes wechselte ich Anfang 2012 in die Pressestelle des Sozialministeriums. Nach einigen Monaten dort erhielt ich die Möglichkeit, als Persönliche Referentin des Sozialministers zu arbeiten. Ich organisierte die Ministertermine, begleitete ihn, schrieb Reden und Grußworte. Seit September 2015 bin ich als Referentin im Integrationsbereich des Sozialministeriums tätig. Wie sind Sie zur Politik gekommen? Das erste Mal persönlich in Kontakt mit den Linken kam ich im Jahr 2005. Ich hatte die Chance, eine der ersten Mentees der Landtagsfraktion zu sein. Mehrere Wochen durfte ich die Abgeordnete Eva von Angern begleiten, die Arbeit der Fraktion, den politischen Betrieb kennenlernen. Die Arbeit der Abgeordneten und der Fraktion haben mich so begeistert, dass ich Mitglied wurde und mich in der Basisorganisation Wolmirstedt engagierte. Zur Landtagswahlt 2006 trat ich – ermuntert durch meine Genossinnen und Genossen in Fraktion und Basisorganisation an. Leider verpasste ich ein Mandat ganz knapp. Der verpasste Einzug ermöglichte mir allerdings, in Ruhe mein Studium zu beenden. Was treibt Sie an? Meine Erfahrungen in der ehrenamtlichen Arbeit bei verschiedenen Jugendverbänden. Ich war viele Jahre bei der Jugendpresse, im Kinder- und Jugendring und im Landesjugendhilfeausschuss tätig. Dort habe ich miterlebt, dass es möglich ist, Dinge zu bewegen, Ideen umzusetzen, Strukturen zu verändern. Wer fragt (auch durchaus kritisch), bekommt meistens eine Antwort. Wer etwas bewegen will, kann das schaffen. Was im „Kleinen" im Jugendbereich geht, kann auch in der Landespolitik möglich sein. Natürlich braucht man dafür einen langen Atem, Geduld, gute Nerven und ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit. Ich mag keine Ungerechtigkeiten, egal ob im zwischenmenschlichen Bereich, bei der Bezahlung oder in der Schule. Ich möchte mich auch für diejenigen einsetzen, die selbst nicht den Mut, die Kraft oder die Möglichkeit haben, sich zu äußern. Was haben Sie sich im Falle einer Wahl zum Mitglied des Landtages vorgenommen? Ich möchte mich für die Kinder- und Jugendpolitik einsetzen. Junge Menschen sind in Sachsen-Anhalt in der Minderheit, werden oft nicht wahrgenommen oder belächelt. In der frühkindlichen Bildung aber auch in der außerschulischen Jugendbildung gibt es seit Jahren Defizite, die bekannt sind, aber nicht behoben werden. Das ärgert mich. Erzieherinnen und Erzieher leisten in Kindertagesstätten gute und wichtige Arbeit. Sie sollen genug Zeit bekommen, um Kinder zu bilden und zu betreuen, um sich vor- und nachzubereiten, sich fortzubilden und sich austauschen zu können. Der Betreuungsschlüssel muss verbessert werden und die Ausbildung einheitlich und qualitativ hochwertig werden. Im Jugendbereich muss es endlich eine verlässliche und zeitnahe Zusammenarbeit mit der Verwaltung geben. Zuwendungsbescheide müssen spätestens im Januar bei den Trägern sein und das Misstrauen der Verwaltung gegenüber Trägern muss aufhören. Außerdem sollen Träger endlich ausreichend Fördermittel bekommen, um arbeiten zu können. Oft leidet die inhaltliche Arbeit darunter, dass ständig Drittmittel akquiriert werden müssen. Der Landesjugendhilfeausschuss muss gestärkt werden. Die stufenweise Demontierung in den vergangenen Jahren ist nicht hinnehmbar. Der Jugendbereich wird schon seit Jahren vernachlässigt und stiefmütterlich behandelt. Die große Koalition hat sich ganz bewusst von diesem Thema abgewandt. Damit muss jetzt Schluss sein. Welche Rolle spielt Sachsen-Anhalt in Deutschland und in Europa und welche Perspektiven sehen Sie für das Land? Sachsen-Anhalt spielt aus meiner Sicht in Europa keine große Rolle. Das muss es auch nicht. Wir sind ein kleines und liebenswertes Land und sollten aus meiner Sicht vorerst unsere Stärken wie die gute Kinderbetreuung oder unsere zentrale Lage im Herzen Deutschlands weiter nutzen und ausbauen. In Deutschland können wir auf jeden Fall besser wirken. Es ist nicht schön mit anzusehen, wie wir bei Vergleichen und Rankings oft die hinteren Plätze einnehmen. Das können wir besser. Ich hoffe, dass wir mit einem Regierungswechsel in Sachsen-Anhalt auch häufiger mit positiven Nachrichten auffallen. Wie wollen Sie die Zukunft Sachsen-Anhalts mitgestalten? Mit Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und einer Prise Humor. Wie denken Sie über die in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten aufgenommenen Flüchtlinge? Welche Chancen und Probleme sehen Sie und wie möchten Sie darauf reagieren? Ich glaube, dass Deutschland und auch Sachsen-Anhalt mit der Zahl der zu uns kommenden Flüchtlinge zurecht kommen wird. Oft erlebe ich es, dass gerade diejeinigen Ängste und Vorurteile haben, die bisher am wenigsten mit Ausländern in Berührung gekommen sind. Wenn sich aber jeder fragen würde, was sich seit dem Sommer 2015 durch die Flüchtlinge tatsächlich im täglichen Leben geändert hat, werden die Meisten nicht viel zu berichten haben. Es gibt keine finanziellen, beruflichen, familiären oder persönlichen Verschlechterungen. Gehalt, Rente, Kindergeld, Pension werden trotzdem gezahlt. Im Urlaub zu verreisen, ist immer noch möglich, das Auto steht immer noch vor der Tür, niemand verliert seine Arbeit, die Kinder können zur Schule gehen. Ich glaube, dass viele Ängste diffus sind und sicher auch durch die Medienberichterstattung begünstigt werden. Selten hat ein Thema in Deutschland über so lange Zeit so intensiv die Gemüter bewegt. Dass da bei jedem etwas hängen bleibt, ist klar. Ich denke, dass wir uns alle aufeinander einstellen müssen. Die Flüchtlinge müssen sich auf die Bedingungen, Traditionen und Abläufe in Deutschland einstellen. Wir müssen uns aber auch darauf einstellen, dass z.B. mehr Menschen mit dunkler Hautfarbe auf den Straßen, beim Bäcker oder in den Schulen zu sehen sind, dass man vielleicht ab und zu angesprochen und nach dem Weg oder nach Dingen im Supermarkt gefragt wird. Und natürlich ist es nötig, Gesetze, Verordnungen und Abläufe in der Bundesrepublik und in Sachsen-Anhalt so anzupassen, dass sie uns allen ein gutes Zusammenleben ermöglichen und das Bilden von Parallelgesellschaften verhindern. Wenn wir das schaffen, wird eine dauerhafte und gute Integration gelingen. Was möchten Sie als Abgeordneter des Landtages für Ihren Wahlkreis tun? Sollte es Wahlkreis 8 (Wolmirstedt) sein, möchte ich weiterhin die Bürgerinitiative 91 unterstützen, in der sich betroffene Bürger zusammengeschlossen haben, um die Rechtmäßigkeit von Trinkwasser/Schmutzwasser – Beitragsforderungen mittels Musterklagen gerichtlich klären zu lassen. Außerdem möchte ich mein ehemaliges Gymnasium gern weiter unterstützen. Ich finde es wichtig, dass auch im ländlichen Raum eine gute Schulbildung und außerschulische Bildung möglich ist. Welcher ist Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt? Zum Nachdenken und Ruhe finden, bin ich gern an der Elbe. In Magdeburg kann man zwischen dem Wissenschaftshafen und der Buckauer Fähre kilometerweit an der Elbe spazieren gehen. Das mache ich sehr gern. Außerdem mag ich gern die Ohrewiesen am Küchenhorn in Wolmirstedt, dort kann man prima mit Kindern Drachen steigen lassen und ungestört joggen.