Interview Josef Fassl - Tierschutzallianz

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

Seit 1990, also über 25 Jahre.

 

Auf welche Ausbildung und beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Ich bin Rechtsanwalt, außerdem Softwareentwickler und habe Anfang der 90er Jahre als Dozent Rechtsanwaltsfachangestellte ausgebildet.

 

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Als Bürger, der sich ehrenamtlich für den Tierschutz einsetzte, musste ich erfahren, wie überheblich ein von uns konzipiertes Konzept für den Bau eines neuen Tierheims abgeschmettert wurde. Stadtratsbeschlüsse und mehrjährige Planungen wurden mit banalen Scheinargumenten für nichtig erklärt. Im Gegensatz zu vielen Mitbürger*innen, die sich daraufhin in ihr Privatleben zurückzogen, hat mich dieses Agieren so geärgert, dass ich selbst aktiv mitgestalten wollte. Als ich 2012 Stadtrat wurde, konnte ich zumindest versuchen, durch Anträge und Anfragen Missständen entgegen zu treten.

 

Was treibt Sie an?

Neben Rückschlägen für politischen Ideen und Projekte konnte ich verschiedene Initiativen erfolgreich umsetzen und habe hierbei viele Gleichgesinnte und Mitstreiter*innen gefunden. Für diese Menschen lohnt es, jeden Tag weiterzumachen.

 

Was haben Sie sich im Falle einer Wahl zum Mitglied des Landtages vorgenommen?

Eine Überprüfung des Hundegesetzes ist unumgänglich. Die so genannte Evaluation, also die Auswertung von Beißvorfällen, ist das Blatt nicht wert, auf dem sie steht. Ich werde einen Kampf gegen Massentierhaltungsanlagen und tierquälerische Haltungsbedingungen (Schnäbelkürzen, betäubungsloses Kastrieren von Ferkeln etc.) führen. Dringend benötigen wir auch ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände, wie es in Baden-Württemberg, Bremen, NRW, Hamburg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und im Saarland besteht. Die 5 %-Hürde muss auf 3 % gesenkt werden, um wirklich neuen Ideen und Köpfen Raum zu schaffen und nicht etliche Wählerstimmen verfallen zu lassen. Außerdem muss das Wahlalter gesenkt werden, denn die, um deren Zukunft es geht, müssen mitbestimmen dürfen!

 

Welche Rolle spielt Sachsen-Anhalt in Deutschland und in Europa und welche Perspektiven sehen Sie für das Land?

Sachsen-Anhalt wird durch kreative neue Initiativen auffallen. Es wird als Land mit teils unberührter Natur und weitgehend unbekannten Kulturschätzen Besucher*innen anziehen. Die Attraktivität wird die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen beflügeln. Universitäten und Forschungsinstitute werden angegliederten Unternehmen zu Markterfolgen bei neuen Produkten verhelfen.

 

Wie wollen Sie in Zukunft Sachsen-Anhalt mitgestalten?

Ob mit oder ohne Landtagsmandat, wie bisher: Mit den Menschen reden, ihre Sorgen ernst nehmen, mich vor keinen Karren spannen lassen. Wir halten nichts von Wahltaktik und Fraktionszwang.


Wie denken Sie über die in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten aufgenommenen Flüchtlinge? Welche Chancen und Probleme sehen Sie und wie möchten Sie darauf reagieren?

Ich zitiere aus unserem Wahlprogramm: Eine Willkommenskultur steht nicht im Widerspruch zur Notwendigkeit, Einreisende zu registrieren. Sicherheitsmängel, die Einreise von Straftätern und Terroristen, könnte das gesamte Projekt der Flüchtlingshilfe gefährden, da Rechtspopulisten damit die Bevölkerung aufstacheln. Straftäter haben keinen Anspruch auf Asyl. Wir fordern die Sicherheit von Frauen und Mädchen, von Homosexuellen und von Christen! Bedrohungen sind nicht hinzunehmen und es ist für eine getrennte und sichere Unterkünfte zu sorgen!

Für Frauen und Mädchen aus Flüchtlingsfamilien sind niedrigschwellige Beratungsangebote zu schaffen, durch die sie Aufklärung über die Rechtsstellung der Frau in unserer Gesellschaft erfahren können und ihnen auf Wunsch Hilfe an die Seite gestellt wird. Perspektivisch ist die Gleichstellung der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen zu realisieren; auch für Frauen und Mädchen aus anderen Kulturkreisen, die Zuflucht in unserem Land suchen, gilt, dass sie Männern gegenüber gleichberechtigt sind. Die aktuelle Berichterstattung verdeutlicht, welche kulturelle Leistung die Gleichstellung der Frau war. Für uns ist sie selbstverständlich und uns bestürzt, wenn in manchen Kulturkreisen Töchter noch als Besitz der Familien gelten, verheiratet und/oder verstümmelt werden und dem Mann untergeordnet sind. Menschenrechte sind unteilbar und unverzichtbar!

 

Was möchten Sie als Abgeordneter des Landtages für Ihren Wahlkreis tun?

Sachsen-Anhalt hätte beim zweiten Jahrhunderthochwasser im Juni 2013 eine noch weitaus größere Katastrophe treffen können, als sie ohnehin eingetreten ist. So traf es im Oberlauf das Gebiet um Groß Rosenburg und im Unterlauf das Gebiet um Tangermünde. Bei meiner Anfrage zum Hochwasserschutz im Magdeburger Stadtrat verwies die Verwaltung Anfang 2013 auf die Vorgaben des Landes zum Bemessungshochwasser und wies einen zusätzlichen Schutz gefährdeter Gebiete als unsinnig (!) zurück! Unter diesem Eindruck müssen die derzeitigen Hochwasserschutzmaßnahmen sehr kritisch betrachtet werden. In einzelnen Bereichen, insbesondere wenn es um die Öffentlichkeitsarbeit geht, ist ein übertriebener Aktionismus zu verzeichnen, dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sowohl die Oberbefestigung als auch die Bereitstellung von Retentionsflächen ungenügend ist. Wiederum besteht Anlass zur Sorge, dass die Gefährdungssituation mit der Zeit wieder in Vergessenheit gerät. Es wird eine Sicherheit vorgegaukelt, die es nicht gibt. Die Bedrohung kann nur abgewehrt werden, indem sämtliche Maßnahmen koordiniert zeitnah umgesetzt werden. Da ein Teil meines Wahlkreises hochwassergefährdet ist, werde ich mich für die Koordinierung der Schutzmaßnahmen zwischen Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie für ein transparentes Hochwasserschutzprogramm mit einem detaillierten Zeitplan, der für gefährdete Bürger*innen einseh- und überprüfbar ist, einsetzen.


Welches ist Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt?

Man kann sich in Sachsen-Anhalt nicht auf einen Ort beschränken. Glaubt man, einen Lieblingsort gefunden zu haben, stellt man bei der nächsten Reise nach Salzwedel, Eisleben oder in den Harz fest, dass es immer wieder Neues zu entdecken gibt, wo man ebenso gern leben könnte.