Interview Bettina Fassl - Tierschutzallianz

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

Von Geburt an.

Auf welche Ausbildung und beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Ich habe eine kaufmännische Ausbildung in einem Baubetrieb absolviert, bevor ich für das Autobahnbaukombinat in der Nähe Leipzigs in der Verwaltung gearbeitet habe. Seit 1994 bin ich Mitarbeiterin einer Rechtsanwaltskanzlei. Zudem war ich zehn Jahre Inhaberin eines Büro- und Schreibservice. Ehrenamtlich, aber mehrere Stunden pro Tag, leite ich die Bundesgeschäftsstelle unserer jungen Partei.

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Ich war von 2002 – 2012 leitend in einem Verein tätig, der sich für ein neues Tierheim in Magdeburg einsetzte. 2005 standen wir monatlich vor den Stadtratssitzungen mit Plakaten und Bannern, jedes Mal berichtete die Presse, Politiker*innen aller Parteien drängten sich um uns. Ständig hatte ich einen Arm auf der Schulter, jeder wollte als großer Kümmerer mit uns auf´s Bild… Als Zuschauer im Stadtrat erlebten wir dann, dass dieselben Politiker oft anders argumentierten als draußen zugesagt. Irgendwann fiel der Groschen, dass Tierschutz auf politischer Ebene nur durch Tierschützer durchgesetzt werden kann, will man das Thema nicht nur für Wahlkämpfe missbraucht sehen.

Was treibt Sie an?

Die Menschen, die ihr letztes Hemd für Leben und Gesundheit eines Tieres geben würden.

Die Menschen, die den Glauben an die Politik verloren haben.

Die Möglichkeit, als Rädchen ein Getriebe in Gang setzen und halten zu können, dass mittelfristig eine bessere Zukunft für Mensch und Tier bringen wird.

Was haben Sie sich im Falle einer Wahl zum Mitglied des Landtages vorgenommen?

Ich werde für die Abschaffung der unsäglichen Rasseliste für Hunde, gegen die Genehmigung weiterer Tiermastanlagen sowie für eine solide finanzielle Ausstattung der Tierheime kämpfen, die den Kommunen deren Pflichtaufgabe abnehmen und viel zu oft zum Bittsteller degradiert werden. Neben dem politischen Tierschutz steht für mich die demokratische Mitbestimmung unserer Menschen ganz oben. Aus eigener Erfahrung – ich hatte 2010 den ersten (und erfolgreichen) Bürgerentscheid in Magdeburg initiiert - weiß ich, dass die Hürden für Bürgerbegehren und Volksentscheide viel zu hoch gesetzt sind. Und die 5 %-Hürde muss fallen!

Welche Rolle spielt Sachsen-Anhalt in Deutschland und in Europa und welche Perspektiven sehen Sie für das Land?

Sachsen-Anhalt spielt leider nicht die Rolle, die es auf Grund seiner geografischen Lage, seiner geschichtlichen und kulturellen Bedeutung verdient hätte. Eine schonungslose Bilanz ist für einen Neustart erforderlich. Derzeit wird unser Land nicht regiert, sondern nur verwaltet. Es gibt kein Aufholen gegenüber den westlichen Bundesländern, man agiert mit Peinlichkeiten und Belanglosigkeiten „Land der Frühaufsteher“, Rückkehrerpakete. Wir brauchen Politiker*innen mit Visionen, dann kann es Sachsen-Anhalt eines Tages vom Schlusslicht übers Mittelfeld zum Spitzen-Bundesland schaffen.

Wie wollen Sie in Zukunft Sachsen-Anhalt mitgestalten?

Ich war nie ein Duckmäuser und gestalte mein Heimatland immer aktiv mit, ob mit Landtagsmandat oder ohne.

Wie denken Sie über die in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten aufgenommenen Flüchtlinge? Welche Chancen und Probleme sehen Sie und wie möchten Sie darauf reagieren?

Eine Willkommenskultur steht nicht im Widerspruch zur Notwendigkeit, Einreisende zu registrieren. Sicherheitsmängel, die Einreise von Straftätern und Terroristen, könnte das gesamte Projekt der Flüchtlingshilfe gefährden, da Rechtspopulisten damit die Bevölkerung aufstacheln. Straftäter haben keinen Anspruch auf Asyl. Wir fordern die Sicherheit von Frauen und Mädchen, von Homosexuellen und von Christen! Bedrohungen sind nicht hinzunehmen und es ist für eine getrennte und sichere Unterkünfte zu sorgen!

Für Frauen und Mädchen aus Flüchtlingsfamilien sind niedrigschwellige Beratungsangebote zu schaffen, durch die sie Aufklärung über die Rechtsstellung der Frau in unserer Gesellschaft erfahren können und ihnen auf Wunsch Hilfe an die Seite gestellt wird. Perspektivisch ist die Gleichstellung der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen zu realisieren; auch für Frauen und Mädchen aus anderen Kulturkreisen, die Zuflucht in unserem Land suchen, gilt, dass sie Männern gegenüber gleichberechtigt sind. Die aktuelle Berichterstattung verdeutlicht, welche kulturelle Leistung die Gleichstellung der Frau war. Für uns ist sie selbstverständlich und uns bestürzt, wenn in manchen Kulturkreisen Töchter noch als Besitz der Familien gelten, verheiratet und/oder verstümmelt werden und dem Mann untergeordnet sind. Menschenrechte sind unteilbar und unverzichtbar!

Was möchten Sie als Abgeordneter des Landtages für Ihren Wahlkreis tun?

In meinem Wahlkreis befindet sich der Magdeburger Zoo, der durch die Tötung dreier gesunder Tigerbabys weltweit in die Negativ-Schlagzeilen rutschte. Der Zoodirektor und seine Gehilfen wurden dafür verurteilt, sehen ihr Fehlverhalten aber nicht ein. Ich werde mich gegen die Tötung „überzähliger“ Tieren - also aus wirtschaftlichen Gründen - unter dem Deckmantel eines Zuchtprogramms engagieren. Das deutsche Tierschutzgesetz gilt schließlich auch für zoologische Einrichtungen! Solange es Zoos gibt, muss sichergestellt sein, dass diese sich nicht über das geltende Recht stellen! Zoologische Einrichtungen haben kein Privileg, gesunde Tiere im Zuge des Populationsmanagements zu töten!

Zudem werde ich mich einsetzen, dass die nächste Landesregierung Einfluss für eine bundesweite gesetzliche Regelung nimmt, damit Zoos an Anzahl und Größe ausreichende Unterbringungsmöglichkeiten für „überzählige“ Tiere schaffen und die Tötung dieser Tieren aus wirtschaftlichen oder züchterischen Gründen strikt verboten wird.

Welches ist Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt?

DEN Lieblingsort gibt es für mich nicht. Ich bin gern da, wo Familie und Freunde sind. Menschenrechtler, Tier- und Naturfreunde gibt es überall in unserem schönen Land.Inter