Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

Seit meiner Geburt am 1. Dezember 1976 in Magdeburg lebe ich in Sachsen-Anhalt.

 

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Nach dem Abitur habe ich an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Rechtswissenschaften studiert und parallel dazu im CinemaxX Magdeburg gearbeitet. Die erforderlichen beiden Staatsexamen legte ich 2001 und 2005 ab. Seit 2006 bin ich in Magdeburg niedergelassene Rechtsanwältin. Seit 2002 bin ich Mitglied des Landtages. Zunächst habe ich dort die Kinder-, Jugend- und Familienpolitik verantwortet. Gegenwärtig vertrete ich die Rechtspolitik meiner Fraktion, bin Sprecherin für LSBTI und arbeite im Finanzausschuss sowie in der parlamentarischen Geheimdienstkontrolle mit. 2014 wählte meine Fraktion mich zu ihrer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden.

 

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Meine politische Sozialisierung erfolgte in den 90er Jahren, als rechtsextreme Ausschreitungen zunahmen und ich mich dem mit vielen anderen Menschen öffentlich entgegen stellte. Ich bin 1996 in die PDS (jetzt DIE LINKE) eingetreten und habe mich zunächst ausschließlich ehrenamtlich engagiert, bis ich im Jahr 2001 gefragt wurde, ob ich für den Landtag von Sachsen-Anhalt kandidieren und folglich Politik „quasi“ im Hauptamt gestalten wolle. Meine politische Feuerprobe waren das Volksbegehren und der Volksentscheid „Für ein kinderfreundliches Sachsen-Anhalt“, in denen es um den Zugang aller Kinder zur Kita unabhängig von der Erwerbssituation ihrer Eltern.

 

Was treibt Sie an?

Meine wichtigste politische Motivation ist der Wunsch nach Gerechtigkeit. Sei es zwischen Mann und Frau. Sei es zwischen Menschen, die weniger Geld als andere zur Verfügung haben. Sei es für Kinder, die dringend eine Stimme in der Politik brauchen, um nicht überhört zu werden. Daher ist eines meiner wichtigsten Ziele auch der Kampf gegen Kinderarmut und der Einsatz für eine Chancengerechtigkeit für alle Kinder. Natürlich geht es mir aber auch darum, Menschen zu helfen, die unsere Hilfe brauche, wie bspw. Menschen die sich vor Krieg und Armut auf der Flucht befinden.

 

Was haben Sie sich im Falle einer Wahl zum Mitglied des Landtages vorgenommen?

Sollte ich wieder in den Landtag gewählt werden, möchte ich gerne weiter parlamentarisch und außerparlamentarisch in der Rechtspolitik tätig sein. Einsetzen möchte ich mich dabei dafür, dass die öffentliche Haushaltsmittel gerecht verteilt werden; dass die Ehe für alle geöffnet wird; dass Opfer von Straftaten – insbesondere Frauen und Kinder – ausreichend Hilfe und Unterstützung erhalten; dass allen Menschen der Zugang zur Justiz erhalten bleibt; dass Resozialisierung das wichtigste Ziel im Strafvollzug ist, damit die Gesellschaft wirksam vor weiteren Straftaten geschützt wird.

In der zu Ende gehenden Wahlperiode habe ich mich aus der Opposition heraus sehr für eine Liberalisierung des Bestattungsrechts in Sachsen-Anhalt engagiert – leider erfolglos. Ich möchte da auch in der 7. Wahlperiode nicht locker lassen, um zu erreichen, dass jeder Mensch auch für den Todesfall frei entscheiden kann…

 

Welche Rolle spielt Sachsen-Anhalt in Deutschland und in Europa und welche Perspektiven sehen Sie für das Land?

Als kleineres der 16 Länder ist die politische Bedeutung Sachsen-Anhalts im Bund und in Europa schon objektiv nicht sehr groß – ich mache mir da keine Illusionen. Wir müssen durch Persönlichkeiten für uns einnehmen. Was wir deshalb unbedingt erreichen müssen ist, dass unser Land durch seine gewählten Repräsentant*innen so überzeugend als möglich vertreten wird. Ich weiß, dass die Stimme Sachsen-Anhalts unter Ministerpräsident Prof. Dr. Böhmer wegen seiner Reputation in Berlin und Brüssel großes Gewicht hatte. Der derzeit amtierende Ministerpräsident rangiert im bundesweiten Anerkennungsranking auf dem letzten Platz. Auch deshalb engagiere ich mich für einen politischen Wechsel in Sachsen-Anhalt. Wulf Gallert kann das besser. Wir brauchen die Beste oder den Besten an der Spitze, weil überzeugende Politik nur von wirklich überzeugenden Menschen gemacht werden kann.

 

Wie wollen Sie die Zukunft Sachsen-Anhalts mitgestalten?

Politik zu machen, ist für mich kein Selbstzweck. Mir geht es um eine Politik für Sachsen-Anhalt, die die Menschen und vor allem jene, die der Unterstützung der Gemeinschaft aller bedürfen, stärker in den Blick nimmt. Ich bin davon überzeugt, dass wir dazu in Sachsen-Anhalt einer Kurskorrektur bedürfen. Der rigide Sparkurs hat dem Land in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge erhebliche Verschlechterungen gebracht. Wenn ich etwa bei den Magdeburger Tafeln oder in Frauenschutzhäusern oder an Schulen oder … oder … oder … unterwegs bin, nützt mir die zum Mantra erhobene „Schwarze Null“ wenig. Ich setze mich daher für einen Politikwechsel ein. Sachsen-Anhalt könnte schon seit 2011 durch Rot-Rot-Grün regiert werden, hätte sich die SPD nicht für die Juniorpartnerschaft mit der CDU entschieden. Wir wollen den Politikwechsel nach dem 13. März 2016 möglich machen.

 

Wie denken Sie über die in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten aufgenommenen Flüchtlinge? Welche Chancen und Probleme sehen Sie und wie möchten Sie darauf reagieren?

Ich bin aus tiefer Überzeugung stets für das Asylgrundrecht des Grundgesetzes und gegen seine faktische Abschaffung durch die Verfassungsänderung von 1993 eingetreten. Diese schwere verfassungspolitische Niederlage machte aus der Asylgarantie, die Deutsche als Lehre der NS-Diktatur in die Verfassung geschrieben haben, faktisch eine Abschiebungsgarantie, da Deutschland nur von sicheren Drittstaaten umgeben war und ist. Man hoffte, dass so das Asyl dorthin kommt, wo die Geflüchteten herkommen. Mehr als zwanzig Jahre ging diese Rechnung des Westens auf. Die Millionen Menschen, die sich in 2015 aus den Regionen des Bürgerkriegs, der Diktaturen und Autokratien und der Hoffnungslosigkeit im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika auf den Weg gemacht haben, um sich in Europa in Sicherheit zu bringen, fordern uns als Gesellschaft erneut heraus. Mein persönlicher, emotionaler Weckruf waren die Bilder vom im Mittelmeer gestorbenen dreijährigen Aylan, der mit seiner Familie vor dem IS aus dem syrischen Kobane geflüchtet war. Dieses Bild werde ich auch als Mutter von drei Jungs wohl nie aus meinem Kopf bekommen. Auch deshalb habe ich großen Respekt vor der Entscheidung der Bundeskanzlerin im September, schon allein aus humanitären Gründen zig Tausende Flüchtlinge aus Ungarn in Deutschland aufzunehmen. Wie Sie gerade gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen – den christlichen Parteien – Haltung zeigt und Kurs hält, nötigt mir Achtung ab. Die zu uns Geflüchteten befragen uns nach unserem Menschen- und Gesellschaftsbild. Sie sind ein Weckruf. Sie lassen uns eine bewusstere, selbstkritische Aneignung unseres individuellen Lebens, unserer Prinzipien, unseres Glaubens und unserer Gesellschaft erleben. Und so macht mir das aktuelle ehrenamtliche Engagement – mehr als 11 Prozent der Bevölkerung sollen sich für Flüchtlinge engagieren – gegen die Globalisierung der herz- und mitleidslosen Gleichgültigkeit und des hemmungs- und gewissenlosen Strebens nach Mehrwert und Vorteil für unser Land und den Westen Hoffnung! Neben diesen grundsätzlichen Fragestellungen ist vor Ort zunächst die Aufgabe der Gewährung von Zuflucht, Schutz und Obdach zu leisten. Hier haben wir Sachsen-Anhalter uns als leistungsfähig und –bereit erwiesen, können aber insbesondere als Staat auf allen Ebenen besser werden. Ein weitaus dickeres Brett wird die Integration der Menschen in unsere Gesellschaft werden. Integration wird mit Drohungen und Ablehnung nicht funktionieren. Sie funktioniert über Angebote und Anreize und eine staatliche Willkommenskultur, die diesen Namen verdient. Zu oft reden gerade Christdemokraten hier mit gespaltener Zunge, wo ein eindeutiges Bekenntnis vonnöten wäre. Die Integration der Geflüchteten ist eine Pflicht der Gesellschaft, die sie vor den aufgenommenen Menschen und – vor allem – vor sich selbst hat. Das sind meine politischen Grundüberzeugungen, für die ich eintrete. Daneben engagiere ich mich als normale Bürgerin in Magdeburg im Willkommensbündnis Ostelbien. Auch ich bin davon überzeugt: Wir werden das schaffen!

 

Was möchten Sie als Abgeordneter des Landtages für Ihren Wahlkreis tun?

Zunächst: Unabhängig davon, ob die Mitglieder des Landtages mit einem direkten Mandat aus dem Wahlkreis oder über die Landesliste ins Parlament eingezogen sind, sind alle Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes, wie es die Verfassung ausdrückt. Es muss also im Landtag das Landeswohl vor der Vertretung regionaler oder von Stadteilinteressen stehen. Wenn ich mich im Landtag für eine solide Finanzierung kommunaler Aufgaben, für ein noch stärkeres Engagement des Landes in der Kinderbetreuung, für die Chancengerechtigkeit von Kindern und auch zwischen Männern und Frauen eintrete, kommt dies natürlich auch meiner Heimatstadt Magdeburg zugute. Und selbstverständlich ist es meine Pflicht als Abgeordnete, Sorgen und Nöte von Menschen, Vereinen, Unternehmen usw. aus dem Wahlkreis auf städtischer und Landesebene zur Sprache zu bringen.

 

Welcher ist Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt?

Mir ist bewusst, dass es klug wäre, auf diese Frage selbstverständlich einen Ort in meinem Wahlkreis anzugeben, weil das sicher allen Wahlkreiseingesessenen schmeichelt. Ich muss mich hier auch überhaupt nicht verbiegen: Mein Lieblingsort im Land liegt in Magdeburg und auch in meinem Magdeburger Wahlkreis. Es ist die Elbe und dort die alte Hubbrücke, die von der Elbpromenade unterhalb des Domes hinüber zum Rotehornpark führt. Und lägen Kühlungsborn und Zingst in Sachsen-Anhalt, dann wären das mein Lieblingsorte im Land!