Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

Ich bin im Jahr 2008 von Berlin nach Quedlinburg gezogen. Der Mann, den ich 2009 hier geheiratet habe, ist Quedlinburger und hat zuvor 8 Jahre lang für mich und mit mir in Berlin gelebt. Der Liebe zu meinem Mann wegen zog ich nach Sachsen-Anhalt. Der Liebe zum Land und zu meiner neuen Heimat Quedlinburg wegen werde ich hier bleiben.

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Meine berufliche Laufbahn ist bislang erfahrungsreich verlaufen. Nach mittlerer Reife und Fachoberschule für Sozialwesen habe ich zunächst in vielen Praktika und Jobs im Medienbereich gearbeitet; ich war PR-Assistentin und Mediaberaterin beim Radio. 2005 entschloss ich mich, endlich etwas "Solides" zu lernen und wurde Gesundheits- und Krankenpflegerin - früher sagte man Krankenschwester. Als solche arbeite ich seit 2009 im Harzklinikum "Dorothea Christiane Erxleben" in Quedlinburg.


Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Ich stamme aus einer sehr politischen Familie, bei uns wurde immer Zeitung gelesen und ausgewertet, meine Eltern und Großeltern sind in einer Partei aktiv. Und: wenn man meinen Eltern glauben darf war ich schon als Kind unerträglich dikussionsfreudig. In Berlin hat man als interessierter junger Mensch unweigerlich Kontakt zu den Jugendorganisationen von Parteien, und so trat ich 1995 zur Kommunalwahl an und wurde mit 18 Jahren in die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Köpenick gewählt. Nach dieser ersten Erfahrung habe ich mich zunächst für lange Zeit aus der praktischen Politik zurückgezogen. 

Als ich 2008 nach Quedlinburg zog, wurde mir schnell sehr deutlich, wie groß die Gestaltungsspielräume kommunaler Politik in Kleinstädten sein können, und wie wenig sich hier Kommunalpolitiker "verstecken" können, weil sie für jeden sicht- und greifbar Bürgerinnen und Bürger der Stadt sind. So macht Politik Spaß! 2010 trat ich aus der Überzeugung heraus, dass nur eine nachhaltige Politik, eine nicht ausschließlich ökonomisch gedachte Politik die großen Zukunftsfragen beantworten kann bei Bündnis 90/Die GRÜNEN ein, wurde Stadträtin in Quedlinburg und Mitglied des Kreistages.

Was treibt Sie an?

Zukunft gestalten, dabei Neues wagen und Wurzeln erhalten, das ist mein Antrieb - sowohl privat, als auch politisch.  Nachhaltige Politik bedeutet, sich immer zu vergewissern, welche Auswirkungen unser Entscheiden und Tun auf die Zukunft hat. Dass diese Zukunft eine Gute wird erfordert eine ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Politik, die unsere kulturellen und natürlichen Ressourcen erhält. Und das sind wir unseren Kindern schuldig.


Was haben Sie sich im Falle einer Wahl zum Mitglied des Landtages vorgenommen?

Meine Schwerpunktthemen sind der ÖPNV und Gesundheitspolitik, da möchte ich gern mitmischen. 

Ausserdem bin ich leidenschaftlich gern Krankenschwester und möchte gern weiterhin an einigen Tagen "zurück ans Krankenbett". Ich glaube, um den Blickwinkel beruflich Pflegender in den Gesundheitsdebatten glaubhaft zu verteten macht es Sinn, diese Perspektive von Zeit zu Zeit in Erinnerung zu rufen.

Welche Rolle spielt Sachsen-Anhalt in Deutschland und in Europa und welche Perspektiven sehen Sie für das Land?

Sachsen-Anhalt ist eine der ältesten Kulturregionen Deutschlands und Europas und liegt mitten in seinem Herzen. Hier werden wichtige Impulse für Entwicklung und Verwendung erneuerbarer Ernergien gesetzt, an unseren Hochschulen studieren Junge Menschen aus ganz Europa. Wenn wir es schaffen, diese Stärken aufzugreifen und zu entwickeln, stolz auf die Besonderheiten unseres Bundeslandes zu sein und offen zu bleiben für Menschen, die zu uns kommen, dann gibt es keinen Grund, pessimistisch in Sachsen-Anhalts Zukunft zu schauen.

Wie wollen Sie die Zukunft Sachsen-Anhalts mitgestalten?

GRÜNE haben in der letzten Parlamentslegislatur bewiesen, dass man nicht unbedingt Mehrheiten braucht, um Veränderungen anzustossen und so zu gestalten. Die wichtigen Fragen stellen, die richtigen Themen benennen und ihre Behandlung einfordern, eine andere Perspektive einnehmen, als Andere und den Blick in die Zukunft nicht verlieren - so geht erfolgreiche Politik. Und so möchte ich mich im nächsten Landtag einbringen.

Wie denken Sie über die in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten aufgenommenen Flüchtlinge? Welche Chancen und Probleme sehen Sie und wie möchten Sie darauf reagieren?

Ich habe Angst. Vor der Aufheizung der Debatte. Vor dumpfen Parolen. Vor Panikmache und Überforderungsgefühlen. Ich habe keine Angst vor der Aufgabe, schutzsuchenden Menschen eine (oft temporäre) Heimat zu geben, sie zu integrieren und mit ihnen zu leben. Ja, es ist eine Aufgabe, und ja, sie ist groß. Aber ich glaube, dass Sachsen-Anhalt an der Bewältigung dieser Aufgabe wachsen kann, selbst größer, bunter und noch schöner werden kann. Dazu gilt es aber, funktionierende Strukturen zu schaffen, beginnend bei den Unterkünften bis hin zu Deutsch- und Integrationskursen, der Organisation von Schulbesuch und Jobsuche. 

Wer ehrlich ist muss sagen: Die Bundesrepublik und auch Sachsen-Anhalt werden sich verändern. Unsere Entscheidung und unser Tun werden beeinflussen wie: Hin zu einer weltoffenen, freundlichen, belebten und deutlich jüngeren Region, die vorwärtsgewandt anstehende Aufgaben angeht oder Hin zu einem abgeschotteten, ängstlichen und zurückbleibenden Bundesland - das alle negativen Vorurteile bestätigt, die es über Sachsen-Anhalt gibt.

Was möchten Sie als Abgeordneter des Landtages für Ihren Wahlkreis tun?

In meinem Wahlkreis gibt es eine Menge wichtiger Fragen, die es zu bearbeiten gilt. Da ist zum Beispiel in Ballenstedt mit den geplanten Hochwasserschutzanlagen im Selketal ein Thema, wo ich ganz konkret unterstützen werde. Auch in Thale gibt es Bauvorhaben, die ich als Grüne gerade vom Land aus kritisch begleiten werde. Und natürlich ist es mir wichtig, da zu sein. Aber da ich mitten im Wahlkreis wohne, mache ich mir darüber keine Sorgen - wer mich kennt, weiß, dass ich fast immer ansprechbar bin.

Welcher ist Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt?

Ganz klar Quedlinburg. Aber ich habe auch andere Städte schätzen gelernt und mag die Natur zum Beispiel im Selketal. Und die Märzenbecher-Aue bei Ballenstedt.