Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt ?

Seit Frühjahr 2010. Ich kam aus beruflichen Gründen nach Sangerhausen.

 

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück ?

  1983 – 1987 Zivildienst, Tischlerlehre in Wetzlar

  1988 – 2006 in Hamburg, Studium der Holzwirtschaft, Tischler, Taxifahrer, Fensterbauer angestellt und selbstständig (2002 – 2004 Pendler nach Schwerin)

  1993/94 in Ghana, forstliche Bestandserhebung

  1995/96 in Ecuador, Tropenholzforschung

  2006 – 2008 Provinz Cadiz, Spanien als Tischler

  Seit 2010 Sangerhausen als technischer Angestellter im Holzfensterbau

 

Was treibt Sie an ?

Neugier

 

Was haben Sie sich im Falle einer Wahl zum Mitglied des Landtages vorgenommen ?

Ich möchte das Mandat gerne so transparent wie möglich ausführen. Meine Idee hierzu ist, über Wahlkreissprechstunden hinaus die Bürger*innen zu themenbezogenen Vor– und Nachbesprechungen der jeweiligen Landtagssitzungen und -entscheidungen einzuladen. Ein Format, was sich entwickeln muss. Auch die Erläuterung der rein formalen Abläufe möchte ich in einer ansprechenden Form anbieten. Es gibt hierzu bereits eine Fülle von Informationsquellen in allen Medien und das Selbststudium kostet viel Zeit; hier möchte ich den Bürger*innen Handreichung geben.

 

Welche Rolle spielt Sachsen-Anhalt in Deutschland und in Europa und welche Perspektiven sehen Sie für das Land ?

Als dünn besiedeltes Flächenland, welches in vielen Rankings leider oft auf den hinteren Plätzen landet, sehe ich, beziehungsweise wir von Bündnis 90 / Die Grünen, eine große Chance für Sachsen-Anhalt im Bereich der Erneuerbaren Energien zu einem innovativem Standort für Forschung, Entwicklung und Erzeugung zu werden. Heute schon gibt es eine hohe Anzahl von Herstellern, Pionieren und Forschungs-Institutionen in diesem Bereich. Ein 100% Szenario , erreichbar innerhalb von 30 Jahren, ist realistisch und wird im Dezember 2015 von der grünen Landtagsfraktion in Magdeburg vorgestellt.

Als zweites große Chance sehe ich den Tourismus. Sachsen-Anhalt hat sowohl im Bereich Naturlandschaften als auch natur– und kulturhistorisch eine Menge zu bieten. Viele touristische Angebote gibt es bereits und werden gut angenommen; mit einer weitergehenden Vernetzung der einzelnen Regionen können die Angebote weiter ausgebaut und verbessert werden. In Allstedt wurde zum Beispiel kürzlich ein Thomas-Müntzer-Stadtrundgang eröffnet; eine sehr gute Idee. Allein bei Thomas Müntzer wäre noch einiges möglich.

 

Wie wollen Sie die Zukunft Sachsen-Anhalts mitgestalten ?

Unter anderem durch Mitarbeit bei der Umsetzung der unter der vorherigen Antwort beschriebenen Chancen für Sachsen-Anhalt. Insbesondere ein Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel in Vernetzung mit dem Radverkehr zu einem flächendeckenden Angebot, bei dem es auch außerhalb der Hauptverkehrszeiten möglich ist, von A nach B zu kommen, ist für mich ein Zukunftsziel.

 

Wie denken Sie über die in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten aufgenommenen Flüchtlinge ? Welche Chancen und Probleme sehen Sie und wie möchten Sie darauf reagieren ?

Neben dem Grundrecht auf Asyl sehe ich die Aufnahme von Flüchtlingen als humane Selbstverständlichkeit an, die ein Staat wie Deutschland und darunter ein Land wie Sachsen-Anhalt bewältigen kann und muss. Wenn verschiedene Kulturen aufeinander treffen ist das Kennenlernen, Akzeptieren und Integrieren kein Selbstläufer. Ich habe selbst in Ghana, Ecuador und Spanien lange Zeit gelebt und gearbeitet, konnte bei der Einreise bereits die Grundzüge der jeweiligen Sprachen und hatte einen geklärten Aufenthaltsstatus sowie einen Arbeitsplatz und trotzdem bedurfte es einiger Anstrengung, anzukommen, zu verstehen und verstanden zu werden. Das ist ein Prozess, der von beiden Seiten gestaltet werden muss und nicht in kurzer Zeit abgeschlossen ist. Eine große Chance dabei ist, nicht nur vieles über andere Kulturen zu lernen, sondern auch über sich selbst, über eigene Überzeugungen, Ansichten und Gefühle. Und die auf den Prüfstand zu stellen. Eine gewisse Scheu gegenüber „dem Fremden“ halte ich für normal. Wichtig ist, diese nicht als Schranke zu verwenden, sondern die Begegnung zu suchen. In meiner Heimatstadt Wetzlar wohnten und wohnen, unter anderen wegen der Eisen- und optischen Industrie, viele Zugezogene aus verschiedenen Ländern und bereits zu Grundschulzeiten lernten und lebten wir zusammen mit Spaniern, Portugiesen, Griechen, Libanesen, Türken und Dänen. Das war vollkommen normal und überhaupt nicht Bestandteil einer Diskussion.

Aus meiner Sicht sind die wichtigsten Grundlagen zur Etablierung einer solchen Normalität dabei der Spracherwerb, Begegnungsräume und Arbeit.

 

Was möchten Sie als Abgeordneter des Wahlkreise für ihren Wahlkreis tun ?

Einiges leitet sich aus den obigen Antworten ab: Ausbau ÖPNV, Förderung erneuerbarer Energien, Tourismusförderung, Förderung der Rahmenbedingungen für eine gute Aufnahme der Flüchtlinge, Etablierung einer guten Diskussionskultur mit den Bürger*innen. Und weiter: Bemühungen um die UNESCO-Anerkennung des Biosphärenreservates, Mitarbeit bei der Lösung des Sulfat- und Nitratproblems der Trinkwasserversorgung, insbesondere im Bereich Rossla, deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen der Finanzausstattung der Kommunen.

 

Welches ist Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt ?

Der Kunstteich in Wettelrode, am liebsten im Sommer in der Nachmittagssonne