Interview Thomas Keindorf

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

In Halle bin ich geboren. Seitdem lebe ich hier und arbeite im Süden der Saalestadt.

 

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Nach zehn Jahren auf der Polytechnischen Oberschule "POS Diesterweg" habe ich eine dreijährige Berufsausbildung mit Abitur zum Maschinen- und Anlagenmonteur im ehemaligen "VEB Pumpenwerke Halle"(heute KSB) gemacht. Den Grundstein für meine Selbstständigkeit habe ich mit der Umschulung zum Schornsteinfeger gelegt. 1980 konnte ich eine Erwachsenenqualifizierung im Schornsteinfeger-Handwerk erfolgreich abschließen. Nach meiner Meisterausbildung studierte ich Berufspädagogik in Chemnitz (Karl-Marx-Stadt) und war als Berufsschullehrer an der Schornsteinfeger-Schule der ehemaligen DDR in Eilenburg tätig. Um meinem Handwerk in der Praxis wieder ein Stück näher zu sein, ging ich 1985 als Geselle in ein hallesches Unternehmen und übernahm 1987 einen eigenen Kehrbezirk. Bis heute arbeite ich im Süden der Saalestadt als selbstständiger Schornsteinfegermeister.

 

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Politisches Engagement findet nicht nur in den Parlamenten statt. Schon seit vielen Jahren engagiere ich mich ehrenamtlich im Handwerk, zunächst als Innungsobermeister im Schornsteinfegerhandwerk, ab dem Jahr 2003 auch als Präsident der Handwerkskammer Halle. Um den Interessen der Handwerker in Sachsen-Anhalt in der Politik noch mehr Gehör zu verschaffen habe ich mich entschlossen, eine Brücke vom Ehrenamt in die parlamentarische Arbeit zu bauen. Auch wurde bei mir das Interesse am Zustandekommen von politischen Entscheidungen geweckt. So reifte in mir der Entschluss, 2011 erstmals für den Landtag zu kandidieren. Bis heute vertrete ich den Wahlkreis Halle IV, denn hier wurde ich von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt.

 

Was treibt Sie an?

Durch meine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit im Handwerk bin ich zu der Überzeugung gelangt: Meckern allein hilft nicht. Man muss auch selber tätig werden. Durch meine jahrzehntelange selbstständige Arbeit bin ich es gewohnt, zügig sinnvolle Entscheidungen zur Zufriedenheit meiner Kunden zu treffen. An meiner politischen Arbeit ist es mir deshalb besonders wichtig mit dazu beizutragen, Entscheidungsprozesse in der Landespolitik zu beschleunigen, mehr Transparenz herzustellen und Lösungen im Interesse der Bürger und Unternehmer unseres Landes zu finden. Durch die Erfolge meiner parlamentarischen Tätigkeit in den letzten fünf Jahren fühle ich mich darin bestärkt, diesen Kurs beizubehalten und weiterhin an Lösungen zu arbeiten. Nicht das Erzählte reicht, sondern das Erreichte zählt.

 

Was haben Sie sich im Falle einer Wahl zum Mitglied des Landtages vorgenommen?

Für mich sind die Themen Bildung und Wirtschaft zwei Seiten ein und derselben Medaille. Die schulische und die berufliche Ausbildung der jungen Menschen in Sachsen-Anhalt sind mir besonders wichtig. Unser Land braucht ein ausgewogenes Verhältnis an qualifizierten Facharbeitern und Akademikern, Master ebenso wie Meister. Mit der Fortsetzung der Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschließlich des dualen Ausbildungssystems – um das uns die halbe Welt beneidet – kann es gelingen, die beruflichen Chancen junger Menschen in unserer Region weiter zu verbessern und den Fachkräftebedarf in der Wirtschaft langfristig zu sichern. Die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung an allen Schulen – auch an den Berufsschulen – mit ausreichend Personal, eine systematische Berufs- und Studienorientierung an allen weiterführenden Schulen, die Stärkung des Handwerks als wirtschaftlicher Motor in Sachsen-Anhalt und die Schaffung von familienfreundlichen Arbeitsplätzen – gerade auch für Frauen und junge Familien mit Kindern – zählen zu meinen zentralen politischen Anliegen. Unser Land braucht eine gesunde Mischung zwischen Jung und Alt, denn Dynamik und Erfahrung gehören für mich zusammen. Der Meisterbrief als Qualitätssiegel für Ausbildung und Ausbilder darf in Zukunft nicht mehr in Frage gestellt werden. Die Energiewende muss vom Kopf auf die Füße gestellt und bezahlbar werden. Und die flächendeckende Versorgung mit schnellen Breitband-Internetzugängen, die als Standortvorteil bisher mancherorts unterschätzt wurde, sind weitere Projekte, die ich auf Landesebene voranbringen möchte. Letztlich wird es auch darauf ankommen, die Personalausstattung der Polizei an die aktuellen Herausforderungen anzupassen. Da bleibe ich bei meiner Position, den Einstellungskorridor zu erhöhen und werbe für eine höhere Wertschätzung der Arbeit der Polizistinnen und Polizisten. Die Bürger und Unternehmer müssen sich sicher fühlen, vor Ort und im Internet.

 

Welche Rolle spielt Sachsen-Anhalt in Deutschland und in Europa und welche Perspektiven sehen Sie für das Land?

Sachsen-Anhalt ist das Plus in der Mitte von Deutschland und Europa. Aus dieser zentralen Lage ergeben sich vielfältige wirtschaftliche und touristische Potenziale, die wir noch stärker als bisher heben müssen. Unser Land ist die Wiege der Reformation, reich an deutscher und europäischer Geschichte und Anziehungspunkt für immer mehr Touristen. Dabei offenbart das Land eine Vielfalt an kulturellen Schätzen, die in Deutschland seinesgleichen sucht.  

Durch eine wirtschaftsfreundliche Politik kann es gelingen, unser Land zu einem attraktiven Innovationsstandort und Wachstumsmotor in Europa weiter auszubauen. Bedingt durch die kleinteilige Wirtschaftsstruktur in Sachsen-Anhalt kommt dem effizienten Wissenstransfer aus der Forschung und Entwicklung in die Unternehmen eine wesentliche Bedeutung zu. Schließlich sind es die vielen Betriebe, die schnell und flexibel auf Veränderungen reagieren, die Aus- und Arbeitsplätze im Land schaffen und mit ihren Angeboten auch ein Stück weit für Lebensqualität sorgen. Dafür benötigen sie politische Rahmenbedingungen, die ihre Arbeit befördern und nicht erschweren. Steuern, Abgaben und Regelungen sind für den gesellschaftlichen Zusammenhalt notwendig, dürfen aber nicht die wirtschaftliche Tätigkeit und das Engagement vieler Unternehmen im Land behindern.

 

Wie wollen Sie die Zukunft Sachsen-Anhalts mitgestalten?

Hier möchte ich auf die Antworten der Fragen 3 bis 6 verweisen.

 

Wie denken Sie über die in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten aufgenommenen Flüchtlinge? Welche Chancen und Probleme sehen Sie und wie möchten Sie darauf reagieren?

Zunächst möchte ich vor allem den vielen freiwilligen Helfern, die sich bei der Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen täglich engagieren, meinen Dank sagen. Ihnen allen gebührt meine Wertschätzung. Der menschenwürdige Umgang darf auch nicht in Frage gestellt werden. Auch habe ich Verständnis für die Sorgen vieler Bürger, die sich Gedanken machen, wie der derzeitige Zustrom und die Integration bewältigt werden können. Die in den letzten Monaten stattfindende Polarisierung der Gesellschaft in dieser sensiblen Frage finde ich nicht zielführend. Menschen, die von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machen – gewaltfrei und im demokratischen Rahmen – dürfen nicht stigmatisiert werden. Die Politik muss den Bürgern das Gefühl geben, dass die Probleme, gleich welcher Art, ernst genommen und gelöst werden. Ein mangelndes Problembewusstsein wäre fatal, denn daraus kann der Nährboden für Gewalt und Extremismus entstehen.

Europa, Deutschland und Sachsen-Anhalt stehen vor einer gewaltigen Herausforderung. Vor allem Deutschland ist eines der derzeitigen Zielländer von Flüchtlingen. Dabei muss die auch mit Chancen verbundene Flüchtlingskrise bewältigt werden, ohne dabei die Risiken aus dem Blick zu verlieren. Die Mehrzahl der Flüchtlinge steht derzeit als Fachkräfte dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Nur mit der schnellstmöglichen Vermittlung der deutschen Sprache kann eine geordnete, erfolgreiche Integration in Ausbildung und Arbeit und damit die Eingliederung in unsere Gesellschaft gelingen. Der frühzeitigen, konsequenten Vermittlung und Anerkennung unserer Grundwerte kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Es muss klar sein: Schutzsuchende, wie alle anderen Einwanderer auch, haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident a.D. Prof. Wolfgang Böhmer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht unter dem Aspekt der Nützlichkeitsarithmetik gesehen werden darf. Schutzbedürftige gilt es schnell zu integrieren. Die lückenlose Registrierung muss dabei sichergestellt werden. Wer nach geltender Rechtslage nicht schutzbedürftig ist, muss das Land wieder verlassen. Denn bei aller Hilfsbereitschaft, die die Menschen in Sachsen-Anhalt unter Beweis stellen, besitzt unser Land keine unbegrenzte Integrationskraft. In der Mitte von Europa gelegen darf die Politik nicht der Versuchung unterliegen, die Krise im Alleingang lösen zu wollen. Bei der Bewältigung sind wir auf die Solidarität unserer Freunde und Partner in Europa angewiesen. Den derzeitigen Zustrom halte ich auch vor dem Hintergrund der Unterbringung in den Kommunen auf Dauer für nicht händelbar.

 

Was möchten Sie als Abgeordneter des Landtages für Ihren Wahlkreis tun?

Der durch den Bevölkerungswandel bedingte Stadtumbau hat den Süden von Halle besonders hart getroffen. Die von der Stadt verteilten Lasten bekommen insbesondere die Menschen auf der Silberhöhe zu spüren. Hinzu kommt, dass im Zeitalter des Internets immer mehr Dienstleistungen vor Ort verschwinden. Unsere Wohnviertel müssen aber attraktiv und sicher bleiben und dürfen vom Stadtzentrum nicht weiter abgekoppelt werden. Mit der Gründung des Forums Silberhöhe 2012 ist es mir gelungen, diesen negativen Trend zu stoppen. Nach Jahren des Rückbaus sind Maßnahmen zur weiteren Aufwertung der Waldstadt Silberhöhe und der Südstadt gefragt. Erste Projekte wurden bereits und werden 2016 umgesetzt, weitere Projektideen befinden sich in der Planung. Einkaufsmöglichkeiten, bezahlbarer und altersgerechter Wohnraum, günstige Nahverkehrsanbindungen und eine flächendeckende medizinische Betreuung müssen in allen Stadtteilen erhalten bleiben, insbesondere für unsere älteren Mitbürger, denn sie gehen zu ihrem Bäcker, Friseur und Apotheker des Vertrauens. Das Handwerk gehört zu einem gesunden Lebensumfeld dazu.

Außerdem muss der Hochwasserschutz weiter verbessert werden. Bei allem Verständnis für die Prioritätensetzung der Stadt Halle dürfen die Menschen, die entlang der Elster-Saale-Aue wohnen, nicht vergessen werden. Das Hochwasser 2013 hat gezeigt, es gibt Handlungs- und Verbesserungsbedarf. Das kommunale Hochwasserschutzprogramm des Landes verschafft der Stadt Halle die notwendigen Spielräume, um auch die Anwohner an der Weißen Elster vor Hochwasserereignissen besser schützen zu können. Meine Aufgabe sehe ich darin, gemeinsam mit den Anwohnern in Osendorf, Radewell, Burg, Ammendorf, Beesen und Planena die bisherige Arbeit fortzuführen. Die Zusage der Stadt Halle, künftig eine Sandsack-Befüllstation im Ernstfall vor Ort einzurichten, ist ein erster Schritt.

Ebenso halte ich es für wichtig, eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur auch in Zukunft sicherzustellen und die auch durch die prognostizierte Verkehrszunahme bedingte hohe Lärmbelastung in den Wohngebieten, etwa von Büschdorf über Bruckdorf bis Radewell, zu reduzieren. Gleichzeitig gewinnen die Wohnquartiere mit dem Ausbau des Hufeisensees zu einem attraktiven Freizeit- und Naherholungsort an Attraktivität, nicht nur für junge Familien mit Kindern.

Mir ist es wichtig, weiterhin als Ansprechpartner für die Bürger und Unternehmer vor Ort dauerhaft sichtbar und präsent zu sein. Viele kleine und große Probleme der unterschiedlichsten Art, von der langfristigen Standortsicherung einer Grundschule bis zur Sanierung von Gehwegen und Sportanlagen, konnten so bereits gelöst werden. Durch die zahlreichen Gespräche mit den Bürgern und Unternehmern fühle ich mich darin bestärkt, die bisher erfolgreiche Arbeit auch in den nächsten Jahren im Wahlkreis fortzuführen.

 

Welcher ist Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt?

Sachsen-Anhalt hat viel zu bieten. Neben der Saale-Unstrut-Region zählt meine Heimatstadt Halle zu meinen Lieblingsorten. Und natürlich der Wörlitzer Park, da habe ich erst unlängst geheiratet.