Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

Ich lebe seit 20 Jahren in Sachsen-Anhalt, wohne in Magdeburg und bin als bündnisgrüne Landtagsabgeordnete regional für die beiden Altmarkkreise zuständig. 

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Vor dem Studium habe ich ein Jahr in der Getränkeproduktion gearbeitet.

1991 habe ich meinen Abschluss als Dipl.-Ing. für Lebensmitteltechnologie an der Technischen Universität in Berlin gemacht, an der ich seit 1985 Lebensmittel- und Biotechnologie studierte. 

Zwischen 1991 und 1995 war ich als Lebensmitteltechnologin in der Lebensmittelindustrie beschäftigt (Tiefkühlkost) und danach habe ich mich beim Öko-Zentrum und –Institut in Magdeburg engagiert.

1996 und 1997 habe ich eine Weiterbildung zur Fachkraft für den Betrieblichen Umweltschutz gemacht und war dann bis 1998 wissenschaftliche Mitarbeiterin der damaligen Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt.

Zwischen 1998 und 2011 war ich Qualitätsbeauftragte beim AWO Landesverband Sachsen-Anhalt. Dort habe ich bis heute ein ruhendes Arbeitsverhältnis.

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Als Studentin habe ich berechnet, dass die Kraft-Wärme-Kopplung einen sehr hohen Energienutzungsgrad hat und trotzdem kaum umgesetzt wurde. Da ist mir klar geworden: Hier stimmt etwas nicht. Die Art, wie gehandelt und gewirtschaftet wird, ist immer interessengeleitet und politisch motiviert. Wenn man etwas ändern will, muss man selber aktiv werden. So war ich zuerst in der Kirche und in Vereinen tätig, bevor ich parteipolitisch unterwegs war.  

Am Internationen Frauentag im Jahr 2000 wurde ich Mitglied der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

In den Jahren 2002 bis 2004 war ich zwei Jahre lang Mitglied im Kreisvorstand der Bündnisgrünen in Magdeburg und dann von 2006 bis 2012 Mitglied im Landesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt.

Was treibt Sie an?

Mich treibt die Dramatik des Klimawandels an. Wenn wir jetzt die Kurve nicht bekommen, dann rasen wir in den Abgrund. Die Folgen des Klimawandels sind schon heute weltweit und auch in Sachsen-Anhalt spürbar. Zu erinnern sei nur an das Hochwasser von 2013 und die Dürreperioden verbunden mit steigenden Ernteeinbußen in der Landwirtschaft in den letzten Jahren. Es geht um unsere Lebensgrundlagen, die wir nicht aufs Spiel setzen dürfen. Im Ausbau der Erneuerbaren Energien und einer anderen Landwirtschaft sehe ich die entscheidenden Hebel in der ökologischen Transformation. 

In den vergangenen vier Jahren konnte ich in der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Energie und Landwirtschaft zwei Kernthemen unserer bündnisgrünen Politik voranbringen. Wir haben Steine ins Rollen gebracht, die uns anfangs wie unüberwindliche Felsen vorkamen. Wenn die Gesellschaft auch in Sachsen-Anhalt heute landwirtschaftliche Produktion hinterfragt und dabei das Tierwohl mehr und mehr ins Bewusstsein rückt, dann hat unsere Arbeit einen maßgeblichen Anteil daran. Ich würde gerne das, was wir gemeinsam mit vielen Unterstützerinnen und Unterstützern begonnen haben, mit meinen Erfahrungen, meinen vielfältigen Kontakten und meiner öffentlichen Präsenz fortsetzen.

Was haben Sie sich im Falle einer Wahl zum Mitglied des Landtages vorgenommen?

Wir werden in Zukunft zum Ausgleich der fluktuierenden Erneuerbaren Energien Energiespeicher brauchen. Um auf diesem Gebiet rechtzeitig praxistaugliche Lösungen zu haben, möchte ich, dass wir schon heute die Entwicklung und Umsetzung von Speichersystemen realisieren. Auch die Forschung und Entwicklung hinsichtlich der Systemdienstleistungen von Erneuerbaren Energien sollten in den Institutionen Sachsen-Anhalts vorgenommen werden. Der Stromnetzausbau kommt in unserem Bundesland relativ gut voran. Ich möchte, dass die verantwortlichen Akteure einen maßvollen und an den Erfordernissen des regenerativen Stromes orientierten Netzsausbau beschließen. Mir ist es ein großes Anliegen, dass die leicht zu erschließende Senkung des Energieverbrauches mit nicht-investiven Maßnahmen - insbesondere bei den Liegenschaften der öffentlichen Hand - endlich umgesetzt wird. Es muss mit der eingeleiteten Umkehr in der industriellen Tierhaltung weitergehen und ich möchte erreichen, dass wir die schlimmsten Tierqualen sofort beenden und darüber hinaus die Tierhaltung schrittweise verbessern. 

Welche Rolle spielt Sachsen-Anhalt in Deutschland und in Europa und welche Perspektiven sehen Sie für das Land? 

Wir haben ein 100%-Erneuerbare-Energien-Szenario für Strom, Wärme und Verkehr berechnet. Eine 100-prozentige Energieversorgung Sachsen-Anhalts durch Erneuerbare Energien ist möglich! Und nicht nur das: wir sind durch unsere Berechnungen zu dem Ergebnis gekommen, dass wir in Sachsen-Anhalt rund doppelt so viel Energie regenerativ erzeugen können, wie wir selber brauchen. Auf diese Weise können – und müssen – wir die Ballungsräume mitversorgen. Denn anders ist eine 100 % regenerative Energieversorgung für ganz Deutschlands gar nicht möglich. Durch den Verkauf von Energie kann unser Bundesland Einnahmen generieren.

Sachsen-Anhalt hat mit zahlreichen Herstellern, Pionieren und Forschungs-Institutionen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien die Möglichkeit, aus einem dünn besiedelten ostdeutschen Flächenland einen der innovativsten Standorte für das Zukunftsfeld der Erneuerbaren Energien in Europa zu machen.

Wie wollen Sie die Zukunft Sachsen-Anhalts mitgestalten?

Ich möchte auch in der kommenden Legislatur wieder eine starke Stimme im Landtag sein für die Altmark und die vielen Bürgerinitiativen, mit denen ich bisher schon eng zusammengearbeitet habe. Ich möchte unbeirrt, unabgelenkt und kraftvoll bestimmte Themen wie bisher weiterverfolgen.

Wie denken Sie über die in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten aufgenommenen Flüchtlinge? Welche Chancen und Probleme sehen Sie und wie möchten Sie darauf reagieren?

Sachsen-Anhalt hat seit der Wende viele EinwohnerInnen verloren. Daher ist Zuwanderung für uns immer auch eine Chance. Für Wohnraum und auf dem Arbeitsmarkt gibt es ausreichende Kapazitäten, sodass wir Menschen, die aus größter Not kommen, bei uns offen willkommen heißen können. Wir PolitikerInnen müssen vor allem zeigen, dass die Zuwanderung machbar ist. Als jemand, die mal im Qualitätsmanagement gearbeitet hat, sehe ich aber überall auf Seiten der Politik und Verwaltung Verbesserungspotentiale, die es auszuschöpfen gilt. 

Was möchten Sie als Abgeordneter des Landtages für Ihren Wahlkreis tun?

Viele Projekte, die seit Jahren laufen und die wir Grünen schon lange (kritisch) begleiten, bleiben auch ab 2016 bestehen: wir wollen die Bundesstraßen 189 und 71 so ausbauen, dass vom Lärm geplagte AnwohnerInnen durch Ortumgehungen eine Steigerung ihrer Lebensqualität erfahren. Ich werde mich auch weiterhin für eine Agrarwende einsetzen, die zu mehr Tier- und Umweltschutz führt und die altmärkischen Landwirtinnen und Landwirte unterstützt, auf Qualität statt Massenproduktion zu setzen.

Welcher ist Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt?

Die Perle der Altmark: Arendsee!