Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

von Geburt an

Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Abitur, 1988

Studium der Evangelischen Theologie, 1990-1997

Vikariat, 1997-1999 

evangelische Pfarrerin, 1999-2003

Persönliche Referentin von Bischof Axel Noack, Magdeburg, 2003-2009

Theologische Referentin bei der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2009 - ...

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Politisch war ich immer interessiert und informiert, bin aber erst Ende 2013 in die SPD eingetreten. Im Dezember 2014 bin ich aus den Reihen der Stendaler SPD gefragt worden, ob ich für den Landtag kandidieren will. Nach reiflicher Überlegung und vielen Gesprächen im Familien- und Freundeskreis habe ich „ja“  zur Kandidatur gesagt und bin dann auch nominiert worden.

Was treibt Sie an?

Ich bin eine überzeugte Demokratin und weiß, dass Demokratie vom Gestalten und Mitmachen lebt. Ohne Politik versinkt eine Welt im Chaos. Das will ich nicht und wohl auch nur die wenigstens Menschen überhaupt. Verantwortliche Politik braucht Menschen, die sich in diese Aufgabe begeben, diskutieren, streiten, Lösungen suchen und auch finden wollen und dann umsetzen. Als Christin ist es für mich außerdem selbstverständlich, mich für das Gemeinwohl zu engagieren, für meine Mitmenschen und hier sowohl die Schwachen als auch die Starken im Blick zu haben. Für mich ist Politik daher immer auch ein Aushandeln von Möglichkeiten und Grenzen. Mich treibt aber auch die Neugierde an, mich in ein neues berufliches Feld zu begeben.

Was haben Sie sich im Falle einer Wahl zum Mitglied des Landtages vorgenommen?

Ich will das, was ich auch im Wahlkampf intensiv versuchen werde, weiterführen: nämlich mit den Menschen intensiv auf den Straßen und Plätzen und an den Haus- und Wohnungstüren ins Gespräch zu kommen. Dazu gehört, dass ich zu den Menschen hingehe, in ihre Orte, dort wo sie sind. Ein Aspekt unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit ist der, dass immer weniger Menschen von ihrem Wahlrecht gebrauch machen. Politikverdrossenheit ist das Wort dafür. Ich bin überzeugt, dass hier nur eines hilft: Politik dorthin zu bringen, wo die Bürgerinnen und Bürger sind. Es ist an Politikerinnen und Politikern, dieser Verdrossenheit zu begegnen. Und das geht nach meinem Dafürhalten nur durch regelmäßige Begegnung und Beteiligung. Aus meiner kirchlichen Arbeit weiß ich, dass es nicht nur reicht, die Beteiligten betroffen zu machen, sondern die Betroffenen zu beteiligen.

Meine Themen sind: Bildung, Demographie, aber auch die Integration von Menschen, die aus Kriegs- und Krisengebieten zu uns kommen. Auch hier bin ich überzeugt: viel geht miteinander, auch schwierige Wege, wenn man den Mut hat, miteinander auch in unbekanntes Land zu gehen – was eine Zukunft ja auch immer ist: unbekanntes Land. 

Welche Rolle spielt Sachsen-Anhalt in Deutschland und in Europa und welche Perspektiven sehen Sie für das Land?

Sachsen-Anhalt ist eines der kleineren und strukturärmeren Länder. Was wie eine Schwäche klingt, kann aber auch eine Stärke sein, nämlich für Motivation, Experimentierfreude und Kreativität. Wir wissen in diesem Land wie es ist, oft in den Platzierungen hinten zu liegen. Aber das ist erstens kein Naturgesetz, und zweitens ist es Zeit, sich von der oft auch selbstverschuldeten Kleinmacherei zu verabschieden. Slogans wie: Wir stehen früher auf oder der für die Altmark Grüne Wiese mit Zukunft dienen sicherlich nicht dem Selbstbewusstsein, weil sie aus meiner Sicht unterstellen, dass wir eher nur wenig zu bieten haben. 

Ich denke, dass wir eine gute Zukunft mit guter mittelständischer Industrie, vielen kleinen sogenannten Start-up-Unternehmen, einer mutigen Lust zu neuen Wegen gerade hier haben. Es gibt dafür viele gute Beispiele im Land. Gerade die Altmärker sind ein Menschenschlag mit viel starkem Willen und können und wollen was bewegen. Das gilt auch für manch andere Region in Sachsen-Anhalt. 

Das Land als Lebens- und Arbeitsbereich kann ein Lebensraum mit Zukunft sein. Das habe ich in meiner bisherigen Arbeit gelernt, vor allem aus Gesprächen mit Raumsoziologen. Es stimmt nicht, dass die Innovation nur in den Städten liegt, Im ländlichen Raum gibt es ebenso Potential. Und Sachsen-Anhalt als überwiegend ländlich geprägtes Bundesland kann hier mit seinen willensstarken Menschen durchaus beispielgebend sein.

Wie wollen Sie die Zukunft Sachsen-Anhalts mitgestalten?

Ich will gern in meinem Wahlkreis und im Landkreis Stendal mit dazu beitragen, dass Menschen ihre Ideen umsetzen können. Dazu gehört, dass es Räume und Möglichkeiten gibt, Ideen auszuprobieren, z.B. die Frage nach guten Bildungsangeboten auch im dünn besiedelten ländlichen Raum. Ich bin überzeugt, dass wir hier noch nicht alle Ideen kennen oder ausreichend mutig waren, auch unkonventionelle Lösungen zu versuchen. Wir stehen ja vor einer Situation, die es so noch nie gab. Strukturen müssen zurück- oder umgebaut werden, weil es weniger Menschen gibt. Viele Lösungen operieren mit den Methoden von gestern, aber für neue Herausforderungen brauchen wir neue Lösungen. Und die müssen erst einmal gefunden werden. Ich träume davon, dass wir in Zukunftswerkstätten, in Erprobungsräumen und ähnlichen Formaten neue Wege gehen, in der Bildung, der Alten- und Krankenversorgung, der Kultur.  

Wie denken Sie über die in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten aufgenommenen Flüchtlinge? Welche Chancen und Probleme sehen Sie und wie möchten Sie darauf reagieren?

Grundsätzlich ist es richtig, Menschen in Not zu helfen. Es gilt, und zwar für jeden Menschen, der erste Satz unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Hinter diesen Satz können wir nicht zurück, und das dürfen wir auch nicht. 

Es ist eine schwierige Situation für alle Beteiligten, für die Geflüchteten, weil sie ihre Heimat, ihre Gewohnheiten, ihre Sicherheit und vieles mehr, aufgegeben haben; für uns Alteingesessenen, weil wir wenig bis keine Erfahrungen haben, Menschen anderer Kultur und anderen Glaubens in so großer Zahl aufzunehmen. Das alles ist schwierig und ich kann verstehen, dass Menschen Angst haben. Was ist nicht verstehe, ist die Radikalisierung in der Debatte. Hier zeigt sich, dass es einen Missbrauch des Grundrechtes auf Meinungsfreiheit gibt. Meinungsfreiheit endet dort, wo die Würde und das Leben anderer aufs Spiel gesetzt werden. 

Was uns hier nur hilft: zuhören, Räume für Begegnungen schaffen zwischen Alteingesessenen und Neubürgern, Geduld und Verstehen wollen.  Und was wir wohl auch gerade jetzt intensiv tun müssen: was sind eigentlich unsere Werte? Sicherlich nicht Deutschtümelei. Was wissen wir noch von dem, was das christliche Abendland meint? Sicherlich nicht Gewalt gegen Schutzbedürftige und Geflohene. Als Christin will ich mich hier gern einmischen. 

Was möchten Sie als Abgeordnete des Landtages für Ihren Wahlkreis tun?

Ich möchte die Qualitäten der ländlichen Region Altmark weiter betonen. Dazu gehören die vielen mittelständischen Unternehmer, die oft von einer breiten Öffentlichkeit unbemerkt hervorragende Arbeit leisten. Auch im touristischen Bereich ist noch Luft nach oben. Die touristischen Angebote und Möglichkeiten gemeinsam mit den regionalen Akteuren über die Kreis- und Landesgrenzen hinaus zu bewerben bin ich gern bereit.

Natürlich gilt ein Augenmerk verstärkt dem Autobahnbau A 14 nach Norden. Das ist für den Landkreis Stendal, aber auch für angrenzende Landkreise unabdingbar. Hier müssen alle politischen und gesellschaftlichen Akteure gemeinsam aktiv sein. 

Stendal ist gut angebunden an den öffentlichen Nahverkehr und mit seiner ICE/IC-Anbindung nach Berlin und Wolfsburg/Hannover ist es ein Ort für Berufspendler. Am Bahnhof Stendal fehlt aber wesentlich ein Fahrstuhl zu den Bahnsteigen. Hierfür will ich mich in Gesprächen mit der Bahn mit Nachdruck einsetzen. Denn zu einer bürgerfreundlichen Stadt gehört, dass Barrieren gerade im öffentlichen Verkehr nahezu verschwinden. Damit ist auch ein weiteres Thema angeschnitten: in einer alternden Gesellschaft ist es zunehmend wichtig, für Barrierefreiheit zu sorgen. Damit sind dann aber zugleich auch die anderen im Blick, die eben auch Barrierefreiheit brauchen. 

Welcher ist Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt?

Den einen Ort gibt es nicht. Ich bin gern in Halle. Und seit dem ich in der Altmark lebe, also seit gut 10 Jahren, habe ich viele Orte hier schätzen gelernt: Stendal, Bismark, Tangermünde, Arendsee, Havelberg ...