Interview

Wie lange leben Sie schon in Sachsen-Anhalt?

Seit meiner Geburt, d.h. als ich im September 1971 in Merseburg geboren wurde, gab es das Land Sachsen-Anhalt in seiner heutigen Form noch nicht; ich wurde in der DDR geboren, im Bezirk Halle. Mein erstes halbes Lebensjahr haben meine Eltern mit mir bei meiner Uroma im Annemariental (damals: Friedenstal) gewohnt, dann bis 1977 in Blösien/West oder Vorwerk (heute Neumark Nord. 1977 bekamen meine Eltern eine Neubauwohnung in Halle-Neustadt und da sind wir dann umgezogen und ich dort aufgewachsen; bin dort zur Schule gegangen. 1990 habe ich das letzte DDR-Abitur absolviert und 1991 in Halle an der MLU mein Jurastudium aufgenommen und beendet. Auch für das Referendariat habe ich Sachsen-Anhalt nicht verlassen, bis auf den Aufenthalt in Speyer. Nach dem 2. Staatsexamen bin ich 2000 in Droyßig zur Verwaltungsamtsleiterin gewählt worden und bin also weiter in Sachsen-Anhalt geblieben und seither dort tätig heute als Verbandsgemeindebürgermeisterin). Nach der Wahl bin ich im Jahr 2000 von Halle nach Droyßig gezogen. Der Liebe wegen bin ich 2006 von Droyßig nach Taugwitz gezogen. Droyßig, wie auch Taugwitz liegen nah an der Landesgrenze zu Thüringen, ist aber noch Sachsen – Anhalt. Dort lebe ich heute noch gemeinsam mit meinem Mann und unserem gemeinsamen kleinen Sohn (4). Der Große (aus der ersten Ehe meines Mannes) ist schon 25 und steht auf eigenen Füßen, wohnt nicht mehr bei uns.


Auf welche Ausbildung und welche beruflichen Erfahrungen blicken Sie zurück?

Von meiner Ausbildung her bin ich Volljurist. Ich habe zwei Juristische Staatsexamen absolviert und hatte im Referendariat den Schwerpunkt Verwaltungsrecht für mich erkannt. Seit 2000 bin ich im Hauptamt kommunalpolitisch tätig: erst als Verwaltungsamtsleiterin und dann nach der Gebietsreform als Verbandsgemeindebürgermeisterin. Beides waren und sind Wahlämter, d.h. man braucht das Vertrauen der Menschen in seine Fähigkeiten, eine Kommune zu führen. Nicht nur die Verwaltung und deren Mitarbeiter, die KiTas und die Erzieher, sondern auch die richtigen Weichen für die Entwicklung der Gemeinden und ihrer Orte zu stellen und gemeinsam mit den Gemeinderäten und anderen Engagierten Zukunft zu gestalten, vor Ort. Das habe ich die letzten 15 Jahre, d.h. bald 16 Jahre getan und kann da auf einen großen Erfahrungsschatz zurückblicken, den ich gern mit in den Landtag nehmen möchte.


Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Aus heutiger Sicht, muss ich sagen, dass ich schon immer ein politischer Mensch war; zumindest ab dem Zeitpunkt des Erwachsenwerdens, wenn man anfängt, Fragen zu stellen, auch zu hinterfragen. Ich hatte immer eine Meinung, eine eigene Meinung. Das ist und war nicht immer einfach. Und ich wollte immer gestalten: die Welt in der wir leben. Nach dem Referendariat war mir das sehr klar und ich hatte mich auf die ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsamtsleiterin in Droyßig beworben, mit damals 28 Jahren: und ich wurde gewählt. Ich habe mich spät für eine Partei entschieden, aber dann mit allen Konsequenzen. Wenn, dann mit vollem Einsatz.

 


Was treibt Sie an?

In mir hallen die Ereignisse vor 1989 und danach stark nach. Ich bin 1989 achtzehn Jahre alt geworden. Die Freiheit als zentrales Thema: der Meinung, des Menschen, für sein Leben Verantwortung zu übernehmen und auch für andere. Das war für mich immer spannend, aufreibend manchmal – aber dann doch zu sehen, dass Dinge sich verändern können, manchmal in kleinen Schritten, ist etwas sehr großartiges. Etwas geben, zurückgeben an und in die Gesellschaft, ist mir sehr wichtig. Und ja, auch und vor allem für die Menschen – im Kleinen, wie im Großen.


Was haben Sie sich im Falle einer Wahl zum Mitglied des Landtages vorgenommen?

Gestalten, vor allem gestalten für unsere Menschen und unser Land. Ein lebenswertes Leben für die Sachsen-Anhalter. Dazu gehört für mich, die Kommunen dieses Landes finanziell gut aus zu statten. In den Kommunen leben wir, vor Ort geschieht viel und ist Politik ganz nah spürbar, unmittelbar. Dafür braucht es starke Städte, Gemeinden und Landkreise. Im aktuellen Kontext stehen sehr große Aufgaben an, die nur gemeinsam gemeistert werden können, um eine zukunftsorientierte, erfolgreiche Lösung zu erreichen. Auch habe ich als Kommunalpolitiker über so manches Gesetz oder Entscheidung den Kopf geschüttelt. Aber „meckern“ gilt nicht, sondern besser machen, sich einbringen und neue Impulse geben. Perspektivwechsel sind Motoren für Entwicklung, genau wie Auseinandersetzungen und in Alternativen denken – festgefahrene Gleise verlassen, Probleme anpacken, Lösungen suchen zum Wohle der Menschen, die in diesem Land leben.

 

Welche Rolle spielt Sachsen-Anhalt in Deutschland und in Europa und welche Perspektiven sehen Sie für das Land?

Sachsen-Anhalt ist ein eher kleines Bundesland. Kein Schwergewicht in Deutschland und in Europa. Aber, auch als kleines Bundesland kann man seine Schätze, dass, was dieses Land ausmacht, einbringen in die Gemeinschaft. Seiner Stimme Gewicht verleihen. Und dass sollten wir tun. Das wird gelingen, wenn wir uns auf das Besinnen, was wir können – Innovationen, Wissenschaft, Forschung, Lehre (mit zwei Universitäten und zahlreichen Hochschulen). Fachkräftemangel mit Bildung, attraktiven Arbeitsplätzen und lebenswerten Städten und Gemeinden entgegenwirken. Forschen, Arbeiten, Leben in Sachsen-Anhalt. Auch im Bereich des sanften Tourismus können weitere Perspektiven für unser Land liegen: in seiner Natur, seiner Geschichte, seinen monumentalen Bauten, in seinen gelebten Traditionen und Festen.


Wie wollen Sie die Zukunft Sachsen-Anhalts mitgestalten?

Mein Ziel ist es, Bedürfnisse vor Ort Ernst zu nehmen und dafür die Rahmenbedingungen im Land zu setzen. Ausgehend von einer starken Bildung, die auch vor Ort im ländlichen Bereich erhalten werden muss, sei es durch kleine Schulen – die selbstverständlich, wenn sie im Bestand in den Schulentwicklungsplänen stehen, mit Stark III Mitteln saniert – und entsprechend mit modernen Lernbedingungen für unsere Kinder ausgestattet werden sollen. Dazu gehört auch ausreichend Lehrpersonal, um Unterrichtsausfall weitestgehend zu vermeiden. Auch im Bereich der frühkindlichen Bildung möchte ich, dass hier mit ausreichend finanziellen Mitteln Rahmenbedingungen für das Entstehen von Eltern-Kind-Zentren zur Verfügung stehen, als Weiterentwicklung der Kindertagesstätten. Dafür Sorge tragen, dass Daseinsvorsorge aufrechterhalten wird. Vom öffentlichen Nahverkehr, über bezahlbaren Strom und schnellem Internet auch auf dem Land. Vernünftige Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement. Um nur einige Beispiele zu nennen.


Wie denken Sie über die in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten aufgenommenen Flüchtlinge? Welche Chancen und Probleme sehen Sie und wie möchten Sie darauf reagieren?

Dieses Thema birgt Chancen und Risiken zu gleich. Risiken, wenn es uns nicht gelingt, die Menschen, die zu uns kommen zu integrieren und ihnen Möglichkeiten des Bleibens zu schaffen. Dazu gehört in erster Linie Arbeit. Um diese zu ermöglichen bedarf es vor allem der Sprache. Heißt, wir müssen sehr starken Wert darauf legen, dass intensiv Deutsch gelehrt wird, denn ohne die Sprache, kann weder eine Vermittlung in Ausbildungsplätze, noch in Arbeit stattfinden und gerade in Sachsen – Anhalt fehlen uns Fachkräfte. Wir haben jetzt schon Lehrstellen und Arbeitsplätze, die nicht besetzt werden können. Hier liegt auch eine Chance der Zuwanderung für unser Land. Dafür bedarf es aber dringend eines „Fahrplanes“, wie es gehen kann, trotz der Vielzahl der Flüchtlinge. Und wir müssen ehrlich sein gegenüber unseren Bürgern: ohne viel Geld und einer gesellschaftlichen Kraftanstrengung wird es nicht gehen. Der Schlüssel kann nur sein Bildung, Bildung und noch mal Bildung. Und bei alledem dürfen die Bedürfnisse der hier lebenden Menschen nicht in den Hintergrund geraten, um ein Gleichgewicht in unserer Gesellschaft zu halten, zum Wohle aller hier lebenden Menschen. Zudem denke ich, dass es an der Zeit ist, in Deutschland ein modernes Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen.


Was möchten Sie als Abgeordneter des Landtages für Ihren Wahlkreis tun?

H. Hesse hat einmal gesagt: „Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“ Nach diesem Grundsatz möchte ich es auch für meinen Wahlkreis halten. Ich bin schon seit geraumer Zeit in meinem Wahlkreis unterwegs, in dem ich auch selbst mit meiner Familie lebe. Die Städte, Gemeinden und auch die Landkreise wünschen sich eine enge Zusammenarbeit mit dem Land, um die Dinge, die vor Ort für eine weitere Entwicklung angedacht sind, umsetzen zu können. Dafür will ich mich einsetzen. Starke Städte und Gemeinden sind Basis eines starken Landes. Eine Entwicklung vor Ort führt zu einer weiteren Entwicklung des Landes. Als Abgeordnete möchte ich eng mit den Verantwortlichen vor Ort, den Ortsvereinen und Engagierten zusammen arbeiten. Den Menschen zu hören, ihre Probleme ernst nehmen und nach Lösungen suchen.


Welcher ist Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt?

Das kann ich gar nicht auf einen Ort begrenzen… In meinem Herzen wird immer Halle/S. einen großen Platz haben, weil ich mich ihr sehr verbunden fühle; ich bin dort aufgewachsen, meine Studienzeit dort verbracht und ein Teil meiner Familie und Freunde wohnen heute noch in Halle an der Saale. Ich schaue auch immer, wie sich meine Geburtsstadt Merseburg sich so entwickelt. Ich mag den Ort, in dem ich lebe, der in der Verbandsgemeinde An der Finne liegt. Ich mag die Nachbarorte und Städtchen. Ich mag die Orte meiner Verbandsgemeinde, in der ich Bürgermeisterin bin. Auch Querfurt, Allstedt und Bad Lauchstädt sind schöne Städtchen, die ihren Charme haben und mit gefallen. Und ich mag Naumburg mit Dom und Uta und mir gefällt Bad Kösen. Ich bin auch gern im Harz unterwegs oder im Wörlitzer Gartenreich. Ich lebe gern hier. Ich mag die Vielfalt unseres Landes.